Mit kleinen Adjektiven und unscheinbaren Verben machen Journalisten auf subtile Weise Meinung für oder gegen eine der Seiten, über die sie scheinbar neutral berichten. Zwei Beispiele aus der Neuen Westfälischen (Bielefeld) vom 1.8.2009, Seite Ostwestfalen-Lippe:
Der Bericht "'Landrat zahlt mit kleiner Münze'" beginnt mit dem Satz: "Der Landrat des Kreises Höxter, Hubertus Backhaus (CDU), hat ... noch einmal seine sprichwörtlich knorrig-konsequente Haltung unter Beweis gestellt." Dann der Bericht: Backhaus hat als Herausgeber des Jahrbuches des Kreises Höxter einen Beitrag des SPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Unruhe aus dem Buch geworfen, angeblich aus stilistischen Gründen. Unruhe hatte in seinem Beitrag alle aus dem Kreis Höxter stammenden Landtagsabgeordneten seit 1947 porträtiert.
"Knorrig" und "konsequent" sind zwei positiv besetzte Adjektive - das erste zumindest im ländlichen Westfalen, das zweite überall. Der Autor hätte Backhaus' Eingriff genau so gut als "kleinlich" oder "engstirnig" bezeichnen können - das wären dann negativ besetzte Adjektive gewesen. Der betroffene Autor wird in dem NW-Artikel zwar ausführlich zitiert, aber hier enthielt sich der NW-Journalist jeglicher positiver (oder negativer) Wertung seiner Arbeit.
Auf der gleichen Seite steht ein Bericht über den "Klinikstreit in Bad Salzuflen". Dort hatten 30 Pflegekräfte einer Privatklinik, unterstützt von der Gewerkschaft Verdi, drei Monate lang gestreikt, um Verhandlungen über einen Haustarifvertrag durchzusetzen. Als sie ihren Streik abbrechen mussten und zur Arbeit zurückkehren wollten, wurden sie von der Klinikleitung ausgesperrt. Die NW zitiert ausführlich den Geschäftsführer der Klinik, der in 20 Zeilen sein Verhalten verteidigen darf. Der Verdi-Sekretär bekommt 6 Zeilen, und dort steht: Er "unterstellt Spernau ein Verhalten 'nach Gutsherrenart'." Eine Unterstellung ist lt. Deutschem Wörterbuch eine "falsche Behauptung"; oft in der Zusammensetzung "böswillige Unterstellung" gebraucht. Das Wort ist also klar negativ besetzt. Von den Streikenden kam übrigens niemand zu Wort.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Vielen Dank für Ihren Kommentar! Ich schalte ihn in Kürze frei, wenn er zum Thema des Artikels passt.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Jürgen Korff