Die Wikipedia ist das größte Textprojekt aller Zeiten, an dem ich seit 2004 als Wikipedianer mitarbeite. Leider muss ich zur Schande meines Berufsstandes, der Texter und Schriftsteller, hier feststellen, dass dieses Projekt nicht von Textern, sondern von Informatikern und Programmierern erfunden und entwickelt wurde. Und das ist, so scheint mir, kein Zufall.
Ich wage hier die These: Texter hätten ein Projekt wie die Wikipedia nie entwickeln können - obwohl mir persönlich der Gedanke an eine computergestützte, interaktive Enzyklopädie sogar schon 1983 gekommen ist, als der Bildschirmtext in Deutschland eingeführt wurde.
Aber es gibt eine Eigenschaft, die viele Programmierer uns Textern, Dichtern und sonstigen Künstlern voraus haben: Sie kommunizieren und kooperieren offener und effizienter mit ihresgleichen. Das habe ich 2000-2002, als ich in einer Internetfirma in Münster beschäftigt war, live erleben dürfen. Was uns Texter beim Kooperieren behindert, ist unsere Neigung zu Neid, unser ständiges Pochen auf individuelle Urheberschaft, unser übertriebenes Konkurrenzdenken, unser Dünkel. Viele von uns glauben, sie ganz persönlich wüssten am besten, wie man mit Sprache umzugehen habe. Wohl niemals würden Texter oder Fachgelehrte (etwa Germanisten oder Soziologen) von sich aus irgendwelchen anonymen Laien gestatten, in ihren Lexikonartikeln herumzuredigieren. Es sei denn, sie passen sich dem vorgegebenen Rahmen einer Wikipedia an, in dem das nun mal so üblich ist. - Dabei sind in Wirklichkeit alle Texte, die wir schreiben, kooperativ entstanden. Denn jeder Text, der geschrieben wird, baut auf Texten auf, die andere geschrieben haben.
Programmierer haben in ihren Wikis und Freien Software-Projekten wie den kollektiv erstellten Betriebssystemen GNU und Linux bewiesen, dass sie weitgehend ohne diese Hemmnisse zusammenarbeiten können. Deshalb gebührt ihnen ein Großteil des Ruhmes, den die Wikipedia inzwischen angesammelt hat. Hut ab!
Hut ab auch vor Google! Ein noch umfassenderer Versuch, das gesamte Wissen der Menschheit jedem Menschen zugänglich zu machen, der gerade ein Stückchen davon benötigt. Das von den Informatikern Larry Page und Sergej Brin entwickelte System ist aus Sicht eines Texters und demokratisch gesonnenen Kulturhistorikers aus drei Gründen faszinierend:
- Es beantwortet unendlich viele Fragen.
- Es bringt das Wissen dort hin, wo es gebraucht wird. Darin steckt eine Form von Achtung vor dem menschlichen Wissen, die vielen Textern, Philosophen usw. möglicherweise abgeht.
- Es benutzt die Sprache (den Text) als zentrales Medium für diesen Prozess und zeigt so die enorme Potenz auf, die im Text steckt.
Die Wikipedia ist das nützlichste Portal! Es lebe Wikipedia! :)
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